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Solarenergie im Aufwind

Bewertungsansätze für förderfreie PV-Anlagen

Während der Ausbau der Windenergie in Deutschland durchlangwierige Genehmigungsverfahren und Bürgerklagen weiterhin stockt, befindet sich der deutsche Solarmarkt nach mittelfristigem Einbruch im Aufwind. Dabei wird der Ausbau der Kapazitäten nicht mehr allein durch staatliche Förderungen, sondern auch durch die erreichte Wettbewerbsfähigkeit der Solarenergie getrieben, die in Deutschland mittlerweile zur günstigsten Stromerzeugungsmöglichkeit geworden ist. Wettbewerb mit anderen Energieträgern und damit einhergehende Vermarktungsrisiken bedeuten aber auch Investitions- und damit Bewertungsrisiken bei der Preisfindung bei Erwerb durch Investoren. Diesen Themen widmet sich unser Corporate Finance Team mit einem Einblick in risikoadjustierte Bewertungsansätze, die z.B. aus der Versicherungswirtschaft bekannt sind.

Die Solarenergie hat an den Börsen die Preisparität zu konventionell erzeugtem Strom erreicht und damit den kommerziellen Durchbruch geschafft: Solarparks können in Deutschland ohne staatliche Förderung errichtet und ohne festen Einspeisetarif (regulierter EEG-Markt) betrieben werden. Der Energiekonzern EnBW kündigte bereits im vergangenen Jahr an, einen der größten Solarparks der letzten Jahre in Deutschland zu errichten und auch die städtischen Versorger Grünwerke (Düsseldorf) und N-ERGIE (Nürnberg) errichten aktuell die ersten förderfreien PV-Parks.

Aber auch die derzeit den Markt beherrschenden Finanzinvestoren werden den Einstieg in die „neue, post-EEG-Zeit“ vornehmen. Aus wirtschaftlicher Sicht bedeutet dieser Schritt ein komplettes Umdenken: Wurde bislang der gesamte produzierte Strom zu einem festen Preis über einen Zeitraum von 20 Jahren mit staatlicher Garantie vergütet, so muss der Investor und Betreiber zukünftig die Vermarktung des Stroms mit allen damit einhergehenden Chancen und Risiken allein organisieren. In einem Umfeld von Kapitalmärkten mit Negativzinsen sind zwischenzeitlich die Renditen für EEG-Kraftwerke auf ein Minimalniveau gesunken – die Investition in das Solarkraftwerk ist für viele Investoren eine Alternative zur Festgeldanlage geworden (geringes Risiko -geringe Rendite). „Alternative Investments“ in reale Assets mit vorhersehbaren Cash Flows und wachsendes Interesse an ESG Finance begründen einen Verkäufermarkt, der sich vergleichbar zu vielen Immobilienmärkten entwickelt hat.

Aktuell haben die Herstellkosten und die daraus resultierenden Stromgestehungskosten von PV-Parks ein Niveau erreicht, das – ausgehend von den sonnenreichen Standorten in Südeuropa – mittlerweile auch in Deutschland Solarstrom an den Börsen wettbewerbsfähig gemacht hat. Mit der freien Vermarktung des Stroms wandelt sich jedoch dieser eher passive Investmentansatz (planbare Cash Flows über 20 Jahre (EEG)) zu einer unternehmerischen Investitionsentscheidung, die typische Risiken von Energiemärkten aufweist: Adress-Ausfallrisiken von Stromabnehmern (sogenannte Offtaker), schwankende Absatzmengen, Gleichzeitigkeitsfaktoren etc., um nur einige zu nennen.

Dieses hat Auswirkungen auf den Bewertungsansatz (Preisfindung) von Investoren: Nach Zeiten mit einer relativ einheitlichen Bepreisung von Investitionen für (EEG-)PV-Parks zeigen die letzten Monate erhebliche Spannbreiten der Kaufpreise für die aufkommenden non-EEG-Projekte (ein Sonderfall sind EEG-Projekte mit einem Tarif unterhalb der mittelfristig erwartbaren Strompreise), die wir als Transaktionsberater bei Bieterverfahren wahrgenommen haben. Langfristigen Strompreisprognosen und der Verfügbarkeit attraktiver PPAs kommt eine wesentliche Bedeutung zu. Beherrschend ist aber die Ungewissheit, wie mit neuen Risiken und Unsicherheiten umgegangen werden soll.

Abb. 1: Strompreisprognosen (Recherche BvdH)

Zur Absicherung der Einnahmen werden für förderfreie Projekte daher oft sogenannte PPAs (langfristige Stromabnahmeverträge) abgeschlossen. Investoren haben somit zumindest für die ersten 5-10 Jahren einen weitgehend gesicherten Umsatz.

Abb. 2: Strompreisspannen (cts/kWh) bei EEG-Projekten und PPA-/ Spot-Vermarktung

Dem steigenden Anteil schwer prognostizierbarer Strompreise über die Anlagenlaufzeit tragen wir mit risikoadjustierten Bewertungsansätzen Rechnung. Grundsätzlich kommen risiko- und chancenorientierte Ansätze in Frage, um einen adäquaten Preis für eine PV-Anlage zu bestimmen.

Abb. 3: Annahmen für Strompreise in unterschiedlichen Bewertungsszenarien

In einem risikoorientierten Ansatz werden recht konservative Annahmen insbesondere hinsichtlich Laufzeit und zu erwartenden Strompreisen („Untergrenze“) getroffen und eine Renditeerwartung in etwa auf Höhe des (risikofreien) Marktzinses unterstellt, entsprechend einer deutschen Staatsanleihe. Somit wird den zukünftigen Cash Flows eine sehr hohe Eintrittswahrscheinlichkeit (quasi AAA-Bewertung) beigemessen.
Der anlegbare Preis für die PVA entspricht den abdiskontierten zukünftigen Cash Flows.

In einem chancenorientierten Ansatz wird ein erwartbares Szenario mit entsprechenden Annahmen für Anlagenlaufzeit (Bewertungshorizont nahe der technischen Lebensdauer der Module) und Strompreiskurve gerechnet. Mit Verlassen des EEGs wird das Solarkraftwerk zu einem unternehmerischen Invest mit allen zukünftigen Chancen und Risiken, dementsprechend werden auch die Renditeerwartungen steigen.

 

Fazit:
Durch unseren risikoadjustierten Bewertungsansatz können Chancen und Risiken aus Erwerb und Betrieb von PV-Parks vollumfänglich abgebildet werden. Dieses wird zukünftig noch wichtiger, da Projekt- und Finanzierungsstrukturen im Marktumfeld erwartbar komplexer werden und der „einfache“ EEG-Bewertungsansatz nicht mehr anwendbar ist. Ohne differenziertes Bewertungs-Know-how werden Investoren dauerhaft Probleme haben, attraktive Projekte zu identifizieren und zu bepreisen.

Unser Corporate Finance Team unterstützt Sie gerne bei der Marktwertermittlung und Finanzierungsstrukturierung für Ihr anstehendes Infrastrukturinvestment.

Autor

Dr. Ralf Beckmann
Director Corporate Finance / M&A
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